Referenzbeschluss im Vergaberecht stützt offenere Ausschreibung zugunsten von Innovation und transparentem Wettbewerb
Gegen eine nicht den Grundsätzen des Vergaberechts entsprechende Ausschreibung hat Tana-Chemie erfolgreich einen Nachprüfungsantrag gestellt. Der Beschluss der Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes des Freistaats Thüringen ist in seiner Klarheit bemerkenswert. Es ist das erste Mal, dass ein öffentlich dokumentiertes Verfahren eine verdeckte Marktverengung im Reinigungsmittelbereich rechtlich aufbricht und sendet hiermit ein klares Signal. Das Vergaberecht fordert ausdrücklich Wettbewerb und verpflichtet den Staat zur Wirtschaftlichkeit. Die positiven Effekte gehen weit über dies hinaus, denn sie sorgen für ein Marktumfeld, das Innovationen wieder zulässt.
Aktuelle Ausschreibungspraxis
Die Versorgung öffentlicher Gebäude mit Hygieneprodukten ist ein millionenschwerer Markt, der geprägt von festen Strukturen und tradierten Lieferketten die Unternehmen ausgrenzen können. Wer einmal den Fuß in der Tür hat, bleibt oft jahrzehntelang Partner. Der Grund: Ausschreibungen der öffentlichen Hand sind häufig so formuliert, dass am Ende nur ein bestimmter Hersteller den Zuschlag erhalten kann. Was als „Referenzprodukt“ im Leistungsverzeichnis steht, ist durch verschiedene Formulierungen oder kombinierte Kriterien oft eine Ausschlussklausel für andere Anbieter.
Vielfältige Befürchtungen führen bei Vergabestellen zu diesem Handeln: Angeblich aufwendige Produktwechsel, und damit verbundene Mitarbeiterschulungen, Angst vor Materialschäden durch neue Reinigungsmittel, bedingt durch mangelndes Fachwissen. Die Angst vor Fehlern sorgt dafür, dass man beim funktionierenden System bleiben möchte. Viele dieser Befürchtungen sind allerdings nicht gerechtfertigt. Reinigungspersonal muss gesetzlich vorgeschrieben jährlich geschult werden, Reinigungsmaschinen können mit vergleichbaren Rezepturen problemlos betrieben werden, Materialschäden werden durch falsche Anwendung verursacht, unabhängig vom Lieferanten. Das Verhalten Veränderungen zu scheuen, verhindert notwendige Innovationen, die die Ergebnisse häufig sogar verbessern können. Das deutsche Vergaberecht ist aus diesem Grund unmissverständlich: Öffentliche Ausschreibungen müssen fair, transparent und diskriminierungsfrei sein.
Nachprüfungsantrag für öffentliche Ausschreibungen
Bislang hat sich kaum ein Hersteller gewagt, gegen offensichtlich wettbewerbsverzerrende Ausschreibungen vorzugehen. Eine Ausschreibung über die Lieferung von Reinigungschemie (Los 1) und Waschmitteln (Los 2) für Verwaltungsgebäude und Schulen in Thüringen war in einer Weise formuliert, die nur einem einzigen Hersteller die Teilnahme ermöglichte. Der Wettbewerb, darunter auch Tana Chemie GmbH, Hersteller nachhaltiger und leistungsstarker professioneller Reinigungsmittel, wurde damit ausgeschlossen. Daraus fühlte sich Tana-Chemie verpflichtet, auf die nicht rechtskonforme Ausschreibung hinzuweisen und stellte nach erfolgloser Rüge einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Freistaats Thüringen.
Die Entscheidung der Vergabekammer Thüringen
Die beanstandete Ausschreibung kombinierte Kriterien in einer Weise, dass nur ein einziger Hersteller die Anforderungen erfüllen konnte und dies führte zu einer nicht gerechtfertigten Marktverengung. Nach umfassender Analyse der Ausschreibung gelangte die Kammer zu dem Ergebnis, dass genau diese Punkte nicht beachtet wurden. Besonders kritisch: Zwar hieß es in den Unterlagen, gleichwertige Produkte seien zulässig – doch in Bieterfragen wurde klargestellt, dass die Inhaltsstoffe exakt einzuhalten seien. Damit war die Tür für alternative Anbieter faktisch verschlossen. Die Kammer stellt fest: Ein Gleichwertigkeitszusatz, der nicht die Inhaltsstoffe umfasst, ist „inhaltsleer“. Im April 2025 erklärt die Vergabekammer des Freistaats Thüringen das von Tana-Chemie bemängelte Vergabeverfahren für rechtswidrig. In ihrer Entscheidung stellen die Richterinnen und Beisitzerinnen unmissverständlich klar: „Das Leistungsverzeichnis […] verstößt gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 31 Abs. 6 VgV. Es enthält nicht gerechtfertigte produktspezifische Vorgaben.“ Damit werden zentrale Grundsätze des Vergaberechts – darunter Transparenz, Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot gemäß § 97 Abs. 1 und 6 GWB250424_Beschluss_VergK verletzt.

Ausschreibungen sollen etwas im Markt bewegen
Vor allem der Punkt, dass gleichwertige Produkte mit abweichenden, aber funktional identischen Inhaltsstoffen anzubieten, explizit ausgeschlossen wurde, sorgte bei Tana-Chemie zur Beanstandung. Bianca Nerowski, Produktmanagement Tana-Chemie erläutert: „Hält man immer an den gleichen Produkten fest, werden Innovationen zum Wohle der Anwender und der Umwelt aktiv verhindert. Dabei kann ein Reinigungsmittel mit anderen Inhaltsstoffen die gleiche Leistung erzielen. Moderne, nachhaltige Wirkstoffkombinationen können die gleichen oder sogar bessere Resultate erreichen. Neue Entwicklungen können helfen, eine bessere biologische Abbaubarkeit, kostengünstigere Rezeptur oder gesundheitsunbedenklichere Produkte zu erstellen. All diese positiven Entwicklungsmöglichkeiten werden durch eine eingeschränkte Ausschreibung beschnitten. Als Nachhaltigkeitspionier möchten wir einen Beitrag für Mensch und Umwelt leisten und an solchen Ausschreibungen teilnehmen können. Daher haben wir uns für die Klage entschieden.“
Auch für andere Marktteilnehmer entstehen daraus positive Effekte. Für Hersteller ist dieser Beschluss eine valide Referenz, um die notwendige Fairness in Ausschreibungen einzufordern. Für Fachgroßhändler ist es ein Anlass im Dialog mit öffentlichen Auftraggebern für Objektivität und Vielfalt zu werben. Einkäufer im öffentlichen Sektor können auf das Vergaberecht vertrauen, denn ein echter Wettbewerb bildet das Fundament, auf dem Qualität, Innovation und Wirtschaftlichkeit ruhen. Die öffentliche Hand sollte Ihre Möglichkeiten zum Wohle aller nutzen.
Weitere Informationen imBeschluss vom 24.04.2025 AZ 5090-250-4003/481 der Vergabekammer Freistaat Thüringen